Alle Jahre wieder – Ein Kurzanleitung für die richtige Unterstützung zu Silvester

Soll man die Angst des Hundes ignorieren? Wird seine Angst größer, wenn man ihn streichelt? Fürchtet er sich mehr, wenn man ihn beruhigt?

Nun ja, es gibt leider noch immer zu viele Menschen, die meinen, dass das so ist. Menschen, die „schon immer Hunde hatten“, sogar Trainer, die das Prinzip der operanten Konditionierung nicht ganz verstanden haben, und viele Menschen, die das glauben, weil es einmal wer gesagt hat und sie das jetzt zur eigenen Überzeugung machen ohne es zu hinterfragen.

Aber wenn man sich ein wenig damit beschäftigt was in Hunden vorgeht, wie sie fühlen und denken, dann weiß man, dass die Antwort auf diese Fragen ganz eindeutig mit:

NEIN! NATÜRLICH NICHT!

zu beantworten ist.

Woher kommt diese Schnapsidee? Na ja, vor ungefähr 100 Jahren hat man begonnen sich mit dem Lernverhalten von Tieren auseinanderzusetzen. Man hat experimentell erforscht, dass ein Verhalten, das zum Erfolg führt, wiederholt wird. Gibt es keine positiven Konsequenzen, dann wird es nicht wiederholt. (Das ist jetzt eine sehr unwissenschaftliche Zusammenfassung.)

So, und diese Erkenntnis hat man jetzt ziemlich unreflektiert auf das Angstverhalten umgemünzt.

Der Hund zeigt Angst, also er hechelt, er versteckt sich, er will flüchten,……wenn dieses Verhalten keine positiven Konsequenzen hat, und Zuneigung, Streicheln, Trösten, auch Social Support genannt, sind ja positive Konsequenzen, wird er also laut Lerntheorie dieses Verhalten nicht mehr zeigen. Logisch, oder? Ich ignoriere, dass er Schutz sucht, dann wird er damit aufhören. Stimmt das?

Nein! Natürlich nicht!

Also wo ist dann der Haken? Thorndike und Skinner haben sich nicht geirrt. Aber das, was sie herausgefunden haben betrifft nur das bewusste, absichtliche Verhalten. Und, kaum zu glauben, aber kein Hund hat sich bewusst dafür entschieden Angst zu haben! Angst ist kein Verhalten, sondern eine Emotion! Und nein, das ist keine Vermenschlichung. Hunde haben im Prinzip dieselben Emotionen wie wir. Wenn man mitten in der Nacht aufwacht, weil ein Einbrecher mit gezückter Pistole neben dem Bett steht, dann kann man sich auch nicht nicht fürchten, weil es besser ist einen klaren Kopf zu bewahren. Angst kommt ohne unsere bewusste Entscheidung. Genauso bei den Hunden.

Wenn du große Angst hast, und alle ignorieren deine Angst, hörst du dann automatisch auf dich zu fürchten?

Nein! Natürlich nicht!

Wenn du große Angst hast und jemand setzt sich zu dir, hält deine Hand, redet beruhigend auf dich ein, wird deine Angst dann größer?

Nein! Natürlich nicht!

Alle fühlenden Lebewesen brauchen sozialen Beistand in schwierigen Situationen. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier!

Also wenn du dich fragst wie du deinem Hund zu Silvester helfen kannst: Sei für ihn da! Gib ihm Sicherheit! Lass ihn auf keinen Fall alleine!

Dein Beistand ist das Wichtigste! Aber Angst ist ein sehr komplexes Phänomen, und es ist wichtig unterschiedliche Maßnahmen zu treffen.

Deshalb hier noch ein paar Tipps in Kurzform:

  • Ignoriere die Knaller aber sei für den Hund da!
  • Man kann seinen 1. Schreck ignorieren, aber sobald er beginnt unruhig zu sein ist es unsere Aufgabe dem Hund zu zeigen, dass es keinen Grund zur Sorge gibt, oder ihn zu beruhigen.
  • Sprich laaaaangsam! Bleibe selber ruhig! Streichle den Hund mit laaaangsamen Bewegungen, lass dich von seiner Hektik und Unruhe nicht anstecken! Tief atmen!!!!!
  • Glaub an dich selber! Man kann dem Hund nicht mit Worten erklären, dass er keine Angst haben muss, man kann es ihm nur mit seinem eigenen Verhalten zeigen. Deshalb sei glaubwürdig, sein nicht hektisch, „bedauere“ ihn nicht, beruhige ihn!
  • Beginne rechtzeitig dem Hund Entspannung beizubringen! Probiere verschiedene Berührungen aus und beobachte den Hund gut, was er mag, wo er unruhig wird.
  • Versuche herauszufinden, warum er sich nicht entspannen kann, obwohl du ihn langsam berührst. Beugst du dich über ihn? Schaust du ihn zu „genau“ an, hat er das Gefühl, dass du „etwas ausprobierst“?
  • Teste alle Berührungen zuerst „nebenbei“ aus! Nicht hingehen mit dem Vorsatz „so, jetzt beruhig ich dich“! Der Hund merkt, dass es jetzt um ihn geht, das kann manche Hunde schon beunruhigen! Probiere die Berührung in einer anderen Situation noch einmal aus! Ganz beiläufig! Nicht zu oft hintereinander! Schau, welche Stärke ihm angenehm ist.
  • Nütze die Zeit um selber zu entspannen!
  • Nur wenn der Hund gelernt hat in Ruhe zu entspannen, kann er es auch in aufregenden Situationen. Aufregung langsam steigern!!!!!
  • Mache schon lange vor dem 31. das, was du zu Silvester machen wirst, damit die Situation nicht neu ist! Also, schon unter Tags verdunkeln, laute Musik, Hund auf seinem Sicherheitsplatz entspannen. Die ganze Prozedur, damit er es schon kennt!
  • Körperliche Entspannung: Massage, Tellington Touch, Akupressurpunkte
  • Indirekte Auslöser: Musik, Gerüche, Thundershirt, Sicherheitsplatz, Wort
  • Draußen nicht überfordern! Besser weniger spazieren gehen, du kannst deinen Hund sowieso nicht so müde machen, dass er den Jahreswechsel verschläft!
  • Wenn die Möglichkeit besteht: nicht in der Stadt spazieren gehen, sondern raus fahren!
  • Ist man unterwegs und es knallt „nur“ einmal, kann man versuchen den Hund zuerst zu beruhigen und dann weiter mit zu nehmen, um ihm zu zeigen, dass nichts passiert. Viel Sicherheit geben, Zeit lassen sich zu erholen, ihn unterstützen, loben, versuchen ihn weiter zu „locken“. Wenn das funktioniert mit Suchspielen ablenken, Bewegung reinbringen, Spaß machen. (nicht übertreiben!!!) Aber wenn er zittert, sich nicht beruhigt, Spaziergang abbrechen!

Hilfen für unterwegs:

  • Sicherheitsmomente aufbauen. Durch Hinhocken und den Hund so halten, dass es ihm angenehm ist und er sich beschützt fühlt. (Vorher in ruhigen Situationen einüben und automatisieren!)
  • Handtarget: Der Hund bekommt eine Aufgabe, die er trotz Stress bewältigen kann. Sein Bedürfnis irgendwie zu handeln bekommt durch dich eine Richtung, er ist bei dir und du kannst besser auf ihn einwirken, die Berührung ist gut und er kommt nicht so schnell auf dumme Gedanken. Auch das langsam einüben, natürlich mit Spaß, und automatisieren!
  • Du überlegst Medikamente zu geben? Dann les dir bitte folgenden Artikel durch:

http://www.tierarzt-rueckert.de/blog/details.php?Kunde=1489&Modul=3&ID=19740

Und nun etwas ganz wichtiges: Nach Silvester ist vor Silvester!!! Beginn nächstes Jahr rechtzeitig, am besten noch im Jänner, an seiner Angst zu arbeiten! Unbedingt mit einem Trainer, der sich mit Geräuschdesensibilisierung auskennt! Sonst kann man die Angst auch schlimmer machen und generalisieren. Man kann Ängste nicht immer „heilen“. Aber man kann sie lindern und verhindern, dass sie stärker werden. Bei der Angst ist es wie bei Schmerzen: Alles, was weniger schlimm ist, ist eine Erleichterung!

Und somit, triff die letzten Vorbereitungen, Schnüffelteppich besorgen, Kongfüllungen ausprobieren, Musik auswählen, Decken vor die Fenster, und bereite dich geistig darauf vor, dass du Silvester anders feierst als die meisten.

Denk daran, dein Hund hat nur dich! Lass ihn nicht im Stich! Sieh die Zeit nicht nur als Training, sondern als wertvolle Zeit, die du mit deinem Hund verbringst!

Du bist dir irgendwann nicht sicher wie du reagieren sollst? Dann überlege, was dir in dieser Situation helfen würde! Gib deinem Hund immer das Gefühl für ihn da zu sein, seine Angst ernst zu nehmen. Ignoriere nur die Leute, die meinen, dass du durch deine Unterstützung die Angst deines Hundes verstärkst, ignoriere nie deinen Hund!

Wir wünschen euch zum Jahreswechsel wenig Stress, wenig Knaller und trotz allem einen Guten Rutsch!

©Hundeschule hundefragen / Susanna Kianek